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Schabbaton mit Pinchas Polonsky

 

Der bekannte jüdischer Religionswissenschaftler Dr. Pinchas Polonsky, der als fortschrittlichster russischsprachiger jüdischer Religionswissenschaftler gilt, besuchte Anfang Dezember unser Zentrum.

Pinchas Polonsky lebt seit 1987 in Israel, forscht an gegenwärtigen Problemen des Judentums und ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Ariel. Er ist Autor von 25 Büchern auf Russisch (ein Teil von denen auf Englisch und Hebräisch übersetzt), u. a. Bestseller „Tore des Gebetes“, „Zwei Jahrtausende zusammen. Jüdische Sicht auf das Christentum“,  „The Central Ideas of Kabbalah: For Beginners“ sowie Bücher über gegenwärtige religiöse Probleme. Die Chance, sich  mit einem solchen außergewöhnlichen Menschen zu treffen und Antworten auf die eigenen Fragen zu erfahren sowie mit ihm zu diskutieren, nutzten viele unserer Gemeindemitglieder. Ein separates Treffen wurde ebenso für Frauen organisiert. Im Fokus lag die Erörterung der Rolle und der Aktualität der Religion in der heutigen Welt, der Wichtigkeit des Erlernens der hebräischen Sprache, der geistlichen Werte und der Bedeutung des Schabbats sowie der Besonderheiten des religiösen Lebensstils in der Diaspora.

Dr. Polonsky erzählte, was man tun könnte, um Judentum für Jugendliche attraktiver zu machen:

„Auf Sätze wie ‚du musst! du sollst!‘ sollte man verzichten, weil das bei der heutigen Jugend wirkungslos ist. Es ist besser, sie mit interessanten Inhalten anzulocken, es soll für sie interessant und intellektuell sein. Für diese Ziele wurden Online-Kurse und Bücher erstellt, alles kann man im Internet finden. Dann werden die jungen Leute erkennen, dass sie so alles bekommen können, was sie brauchen. In der Diaspora sollte man das erbauen, was es schon längst in Israel gibt.“

Wie sollte man ein religiöses Leben in der Diaspora aufbauen?

„Gute Frage… Ich blicke darauf aus der israelischen Perspektive. Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich psychologisch und informatorisch an Israel zu orientieren; zu wissen, was da passiert und Israel zu besuchen. Sie werden dann ein ganz anderes Gefühl haben: die Wahrnehmung der Zugehörigkeit zur Gesamtheit in einem anderen Land, ein „Zweig“. Und die Selbstwahrnehmung als „Zweig“ ist die viel korrektere als das Gefühl, eine isolierte Gemeinde ohne jegliche Beziehungen zu sein. So wird es für die Kinder viel besser: dass sie spüren, dass es einen Hauptort gibt, und Israel besuchen, mit Israel kommunizieren, Israel in jeder Hinsicht unterstützen. Das ist eine sehr wichtige Angelegenheit.“

Was kann genau getan werden, um die Kinder dazu zu ermutigen?

„Was die Heranführung der Kinder angeht, ist es sehr wichtig, dass sie Hebräisch lernen. Wichtig ist, dass Judentum interessant wirkt. Einfach nur durch Strenge kann man nichts erreichen. Das, was früher funktioniert hatte im Laufe von 2000 Jahren, existierte in der jüdischen Isolation, als Juden getrennt vom Kulturleben der Völker getrennt waren, unter denen sie lebten. Doch heute besuchen Kinder in der Diaspora normale Schulen, in Ihrem Fall – deutsche. Das Judentum sollte konkurrenzfähig zu dem sein, was die Kinder um sich sehen. Und da kommt man um die Hilfe Israels nicht herum.“

Sie reden von der Modernisierung der Religion. Was verstehen Sie darunter?

„Ich bekenne mich als orthodoxen religiösen Juden. Orthodox heißt, dass ich alles als verpflichtend aufnehme, was es früher in der Geschichte des Judentums gab. Klar gibt es innerhalb des Judentums viele Streitigkeiten und Richtungen, doch ich übernehme komplett die ganze jüdische Tradition, zusammen mit diesen Streitigkeiten und Richtungen. Aber ich finde, dass sich G’tt nicht nur in der Vergangenheit gezeigt hat, sondern dass er auch jetzt ein Dialog mit uns führt, und das sowohl mit jedem Menschen als auch mit dem Volk als Ganzes. Das Leben, die Geschichte und das Fortschreiten der Zivilisation – das alles ist der Dialog der Menschheit mit G’tt. Und in diesem Dialog sagt G’tt immer etwas Neues, und deshalb das Fortschreiten der Kultur, der Gesellschaft und der Zivilisation – das alles enthält das Wort G’ttes in sich. Die Modernisierung der orthodoxen Religion bedeutet, dass wir alles erhalten sollten, aber dazu etwas Neues hinzufügen, was G’tt zu uns sagt.“

Wie bewerten Sie das vergangene Schabbaton?

„Sie haben eine hervorragende Gemeinde, großartige Menschen, alle haben ein wunderbares Leben in der Gemeinde. Da funktioniert alles. Wir haben innerhalb von zwei Tagen ergiebig gearbeitet und diskutierten über viele Fragen.    

  

Donnerstag, 19. Dezember 2019